Wie das "Handelsblatt" berichtet, liegen dem Auswärtigen Amt nun Belege vor, dass der chinesische IT Riese Huawei mit der chinesischen Regierung kooperiert.
Quelle hierfür seien nachrichtendienstliche Erkenntnisse der USA.
Wer wie ich schon alt genug ist, um sich an die Enthüllungen eines Edward Snowden zu erinnern, der könnte jetzt mit einer Spöttelei das Thema direkt wieder zu den Akten legen.
"Heute hat mich Veltins angerufen. Sie haben Beweise dafür, dass Warsteiner zwar besser schmeckt und auch günstiger, aber eben auch böse ist."
Aber das Thema ist zu ernst.
Herr Spion, am Telefon...
Mit Huawei kennen sich die Amerikaner bestens aus, schließlich wurde schon 2014 publik, dass der amerikanische Nachrichtendienst NSA, den chinesischen Konzern ausspioniert.
Die NSA geht bei derlei äußerst gründlich vor - so hörte sie in Europa nicht nur das europäische Parlament, nicht nur deutsche Politiker und Beamte und nicht nur mittels PRISM (verdachtsunabhängig) alle Bürgerinnen und Bürger der EU ab....
(die daran beteiligten Technologieunternehmen sind übrigens, in unterschiedlichem Ausmaß, Microsoft, Google, Facebook, Yahoo, Apple, AOL und Paltalk)
...sondern betreibt außerdem effektive Wirtschaftsspionage in Deutschland, mit besonderem Fokus auf sogenannte disruptive Technologien.
Im Falle unseres europäischen Nachbarn Frankreich, hatte sie zudem 2012 nachweislich den Auftrag, alle französischen Angebote zu internationalen Aufträgen, die ein Auftragsvolumen von 200 Millionen Dollar übersteigen, auszuspionieren.
Das dies alles ein wenig in Vergessenheit geraten ist, verwundert kaum.
Schon 2017 war dem Bundesamt für Verfassungsschutz die massive Spionage der NSA mithilfe us-amerikanischer Technologiefirmen, nicht einmal mehr eine namentliche Erwähnung wert.
USA, USA, USA... was ist mit Huawei?
Der Grund, weswegen ich in einem Beitrag zu Huawei zuerst einmal ausführlich über die USA schreibe, ist folgender:
Stand der Dinge stammt fast jede in Europa genutzte Informationstechnologie aus den USA.
Regierungen, Behörden, Unternehmen und Privatleute nutzen Produkte von Netgear, Cisco, Dell, HP, Microsoft oder Apple.
Das in Europa genutzte Internet wird dominiert von Facebook und Google.
Mit u.A. dem "Cloud Act" und dem "Patriot Act", haben die USA Rechtsgrundlagen geschaffen, aufgrund derer die US-Regierung jedes in den USA ansässige Unternehmen zur Kooperation und Verschwiegenheit verpflichten kann - z.T. auch ausdrücklich, wenn diese Kooperation geltendes Recht eines Drittlandes verletzt.
Die massive Überwachung europäischer Unternehmen, Politik, Verwaltung und Privatpersonen, wird überhaupt erst durch diese massive Durchsetzung europäischer Infrastruktur mit us-amerikanischer Informationstechnologie möglich gemacht.
Das ist jetzt das Umfeld, in welches mit Huawei nun ein geostrategischer Rivale der USA, vorzustoßen versucht.
Wenn nun Huawei für die VR China, Spionage in Europa betreiben könnte, würde dies nicht nur jene Felder betreffen, an die wir uns eh schon gewöhnt haben (siehe oben) - es würde vor allem den us-amerikanischen Überwachungsapparat in Europa massiv stören.
Die USA reagieren allergisch auf solche Beeinträchtigungen. So geriet vor einigen Jahren auch der russische Anbieter von Antivirensoftware Kaspersky unter Beschuss der NSA.
Der Vorwurf lautete "Kooperation mit der russischen Regierung".
Hintergrund des Ganzen - das Antivirenprogramm hatte NSA Malware erkannt.
Aber spioniert Huawei nun?
Dafür gibt es, aus IT-Praktikersicht, derzeit keine Anhaltspunkte. Sie können ein Huaweiprodukt öffnen und prüfen. Sie werden darin, wie auch in Produkten anderer Hersteller, keine ominösen Spionagechips oder ähnliches finden.
Sie können auch den Netzwerkverkehr des Geräts abfangen und auswerten. Heimatfunk nach China werden Sie vermutlich nicht finden.
Das ist aber auch, bei genauerer Betrachtung, überhaupt nicht der konkrete Vorwurf.
Die Vorwürfe lauten eher wie folgt:
In China gibt es Rechtsgrundlagen, aufgrund derer die chinesische Regierung jedes chinesische Unternehmen zu Kooperation und Verschwiegenheit verpflichten kann - z.T. auch ausdrücklich, wenn diese Kooperation geltendes Recht eines Drittlandes verletzt.
Chinesische Nachrichtendienste könnten über absichtlich offen gehaltene Sicherheitslücken, sogenannte "Backdoors", Huaweiprodukte für Spionagezwecke nutzen, um z.B. Industriespionage zu betreiben.
Wer den Text bis hierhin aufmerksam gelesen hat, dem dürfte klar sein:
Für diese Vorwürfe hat die NSA nicht viel Phantasie gebrauchen müssen.
Sie musste nur alltägliche us-amerikanische Praxis beschreiben.
Aber um die Frage zu beantworten:
Wenn wir sie lassen, werden die Chinesen Huaweiprodukte zur Spionage verwenden.
Es bedarf unsererseits dazu nur derselben Blauäugigkeit, mit der wir die Nachrichtendienste unserer "Partner" gewähren lassen.
No Spy?
Es gibt aber durchaus einen Unterschied zwischen den Technologieunternehmen aus China und den USA.
Denn Huawei bietet allen skeptischen Absatzmärkten (wie der EU) "No Spy" Abkommen an.
Aufgegriffen wurde dieses Angebot, meines Wissens nach, bisher nicht - dabei würde ein solches Abkommen, die richtige Ausgestaltung vorausgesetzt, vielleicht zu den (relativ) sichersten Netzwerkkomponenten führen, welche unter diesen Umständen machbar sind.
Es gibt kein richtiges leben im falschen
Unter den Umständen, in welchen wir diesbezüglich jetzt gerade leben, ist die Debatte um Huawei eine Groteske.
Weder in Regierung noch in der Opposition, gab es bisher ernsthafte und geeignete Bemühungen, die Daten von Unternehmen, Verwaltungen oder Privatpersonen tatsächlich vor Spionage zu schützen.
Das Meinungsfeld dazu wird im Prinzip von der Union und den Grünen eingegrenzt.
Die Union sieht die Spionagevorwürfe im Wesentlichen als nicht bestätigt an. Konsequenterweise halten das Teile der Union mit Huawei genauso, wie mit der NSA Affäre.
Die Grünen wiederum machen da gewissermaßen eine verklausulierte Unterscheidung zwischen "guten" Spionen und "bösen" Spionen.
So berief sich Annalena Baerbock in einer vielbeachteten Rede zu dieser Frage, auf einen Wertekonsenz mit den USA.
Noch im Dezember schlugen die Grünen vor, Anbieter nicht nur technisch zu bewerten, sondern auch anhand von Fragen zu Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und staatlicher Einflußnahme in den Herkunftsländern.
Das kann man, wenn man mal "Global Act", "Patriot Act" und NSA Affäre komplett außen vor lässt, als Plädoyer gegen Huawei verstehen.
Jedoch stellt sich hier ganz von selbst die Frage, was für uns in Europa eigentlich irgendeine nationale Rechtsstaatlichkeit bedeuten soll, wenn diese Rechtsstaatlichkeit ausdrücklich nicht für uns Europäer als Spionageopfer gilt.
Es ist für ein Kriminalitätsopfer im Allgemeinen auch nicht sonderlich relevant, ob sein Schädiger im allgemeinen oder dem Anschein nach, ein netter Kerl ist.
Das eigentliche Problem - Datenschutzverletzungen oder Milliardenschäden durch Industriespionage, behandelt diese Initiative nicht.
Doch ein zartes Pflänzlein der Hoffnung blüht durchaus noch und es blüht bei den Grünen...
DIY or die (oder "Von China lernen, heißt...")
„Bislang führen wir die Debatte um die Rolle Huaweis, um die digitale Souveränität Europas und um Versäumnisse in der IT-Sicherheitspolitik leider noch immer extrem oberflächlich“, sagte der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz dem RND. „Wir müssen die sich derzeit bietende Chance einer echten digitalpolitischen Neuaufstellung Deutschlands und Europas nutzen“, forderte der Digitalexperte. „Für alle Tech-Firmen, auch und gerade für die europäischen, müssen verbindliche Mindeststandards definiert, diese von unabhängiger Seite kontrolliert und Verstöße, nötigenfalls durch ein klares Haftungsregime, auch tatsächlich sanktioniert werden“, so von Notz.
Was von Notz da so vorsichtig anspricht, bedeutet zuende gedacht eigentlich nicht weniger, als eine europäische IT-Revolution.
Autoritäre Staaten mit den entsprechenden Mitteln, haben längst Anstrengungen unternommen, sich in IT-Belangen zu emanzipieren.
Russland produziert eigene (vgl. schlechte) Mikroprozessoren und verwendet ein spezielles Smartphone-OS, China verbreitet eigene Betriebssysteme, Suchmaschinen und, eben, Hardware - Huawei ist nicht vom Himmel gefallen.
Was autoritäre Staaten bewerkstelligt haben, um sich (bestenfalls) vor ausländischer Einflußnahme zu schützen oder (schlechtestenfalls) um ihr Volk zu knechten, kann die Europäische Union durchaus ebenfalls schaffen.
Um wirklichen Datenschutz, fairen Wettbewerb und durchaus auch die europäische Sicherheit zu gewährleisten, müssen wir eigene Hardware entwickeln, eigene Software entwickeln und zumindest unsere öffentliche Infrastruktur umstellen.
Das ist für einen Bruchteil jener Kosten machbar, welche die Mitgliedsstaaten der EU alle paar Jahre an Lizenzgebühren in die USA abführen, es wird Arbeitsplätze schaffen und die EU in IT-Belangen auf Augenhöhe mit den USA und China bringen.
Doch bis dahin...
Warum das bisher noch nicht geschehen ist, erläutere ich ein andernmal.
Fakt ist aber eins:
Wenn wir uns mit den bestehenden Verhältnissen arrangiert haben, wenn wir kein Interesse daran haben uns zu emanzipieren, dann ist es im Endeffekt egal, an wie viele Abnehmer wir unsere Daten verschleudern.
Ein spaßiger Gedanke zum Schluß:
Vielleicht führt eine Diversifizierung der uns ausspionierenden Mächte ja im Endeffekt zu weniger Spionage - weil die sich gegenseitig behindern.
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