"Hier ist die Mitte. Hier in der Mitte sind wir - und nur wir."
(Angela Merkel, 2007)
In Thüringen hat sich nun Thomas Kemmerich (FDP), als "Kandidat der Mitte", von den Nazis der AfD zum Rekordministerpräsidenten wählen lassen.
Mittlerweile ist er wieder zurückgetreten und seine Partei, nebst CDU Thüringen, erklärt seinen überraschenden Wahlantritt so:
Man habe eben jenen besagten Kandidaten "der Mitte" aufstellen wollen.
Wenn das so wichtig ist, darf die Frage auch mal gestellt werden, was das eigentlich ist, diese "Mitte".
Oder wer.
1998 redete Gerhard Schröder noch von einer "neuen Mitte" und zählte als Bestandteile dieser neuen Mitte gleich mal so jeden auf, der nicht bei drei auf den Bäumen war.
2020 formuliert die FDP ein "Angebot aus der Mitte für die Mitte" - wäre der Begriff "Mitte" nicht, man könnte ein Angebot der FDP an sich selbst, für typisch gelbes ICH!ICH!ICH! halten.
Wem das noch zu wenig Mitte war, dem sei die letzte Landtagswahl in Thüringen ans Herz gelegt. Sowohl der Wahlkommentator der Öffentlich Rechtlichen als auch später die TAZ, hatten einen neuen Protagonisten der Mitte ausgemacht: Die LINKE.
Wenn auch nur die Ramelow LINKE. In Thüringen. Aber immerhin.
Und nein, auch damit noch nicht genug.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann, schrieb 2008 für die Böll-Stiftung schon von seinerseits als notwendig erachteten Bewegungen der GRÜNEN.Natürlich in die Mitte.
Und wenn man den Krakeelern der AfD glauben will, dann sind die GRÜNEN dort auch schon angekommen - als "Mainstream", was man wohl als Mitte verstehen könnte - würden die blauen Braunen nicht zugleich auch behaupten, Teil einer schweigenden Mehrheit zu sein.
Aber möglicherweise hat in der AfDealität, Mitte einfach nichts mit Mehrheit zu tun.
Die Mitte ist also jeder und niemand, alles und gar nichts?
So falsch ist das gar nicht.
Denn streng genommen, bezeichnet "Mitte" einen Punkt, den Mittelpunkt.
Niemand kann exakt auf einem Mittelpunkt stehen, er steht immer größtenteils außerhalb dieses Mittelpunkts.
Deswegen gibt es ja auch den Begriff der "Politischen Mitte", welcher das Dilemma, dass niemand geometrisch hauptsächlich Mitte sein kann, auf typisch politische Art löst:
Mittels Diffusität.
Wie so oft hilft hier die Wikipedia.
Als "Mitte" verstehen sich demokratische Parteien, eingegrenzt durch die extrem linken und extrem rechten Ideologien. Für Deutschland speziell, wäre die Mitte wohl zwischen den traditionellen Hauptströmungen der Sozialdemokratie und des Konservatismus angesiedelt.
Schiesst ihnen auch spontan die Frage durch den Kopf, wieso eigentlich sich die FDP sich als Zwischending aus Sozialdemokratie und Konservatismus betrachtet?Politiker der CDU, z.B. in Gelsenkirchen, haben da wohl einen anderen Mittebegriff. Für Sascha Kurth ist die LINKE eine extreme linke Partei.
Verfassungsschutz, DKP und MLPD mögen da noch so hysterisch kichern, standhaft wird diese Behaup... Haltung verteidigt, sowohl in Gelsenkirchen Hüllen wie auch von Mike Mohring in Erfurt.
Nun muss man Wikipedia natürlich nicht als Referenzwerk betrachten, aber die Bundeszentrale für politische Bildung ist da auch nicht hilfreicher - dort ist die politische Mitte ein inhaltsleerer Mythos, der hauptsächlich als Projektionsfläche und zum positiven Verkaufen fehlender Zielorientiertheit, einen politischen Nutzen entwickeln kann.
Aber Kurth ist damit ja absolut nicht alleine. Die selbsternannte Mitte der Mitte, mit Angeboten aus der Mitte für die Mitte, die FDP, deklariert ja so ziemlich alles, was nicht CDU oder FDP ist, als "links" und damit zutiefst unmittig.
Damit übrigens auch die SPD, was wiederum die LINKE zu einem hysterischen Kichern verleiten dürfte.
Die AfD wieder wurde auch schon dabei erwischt, so ziemlich alles als links und damit unmittig zu betrachten, was nicht AfD ist - denn mag man FDP und CDU noch als "bürgerlich" anerkennen, so bezeichnet man die Union doch als "sozialdemokratisch" (laut FDP Definition "links").
Für manche Sozialdemokraten (beider Parteien) ist die CDU wiederum "rechts".
Alle wollen Mitte sein
Nur die LINKE nicht, die hatte sich ja in einem Akt beispielloser Dummheit, diesen nichtssagenden und unmittigen Namen verpasst - was sie, zu allem Überfluß, nicht davor geschützt hat, in Thüringen als "Mitte" wahrgenommen zu werden.
Es ist halt gemütlich in der Mitte.
Ob nun als Spatz unter Spatzen, im Winter auf einem kahlen und kalten Zweig oder als Partei, welche maximal viele Menschen einsammeln will - bei zugleich minimalster Profilierung.
Die Politische Mitte als Feld
Verstehen wir die "politische Mitte" also als Feld, welches sich um einen Mittelpunkt erstreckt - wo sind dann die Ränder?
Die Wikipedia war da klar - bei den extrem linken und extrem rechten Kräften, in Gegensatz gesetzt zu den "demokratischen" Parteien.
Hier ist die politische Mitte also alles was eine demokratische Partei ist.
Damit wäre die LINKE eine Partei der Mitte und formaldemokratisch betrachtet, ebenso die AfD wie auch die DKP.
Blicken wir jetzt noch einmal auf die Aussagen aus Parteien zurück, ist Mitte immer etwas, von dem man selbst Teil ist und die allermeisten anderen nicht.
Schöner kann man es eigentlich nicht beschreiben, dass man sich politisch für den Nabel der Welt hält - ist doch der Nabel immerhin halbwegs Mittelpunkt von einem selbst und man selber ja die mittigste Mitte der politischen Mitte.
Der springende (Mittel)punkt
Sie haben vielleicht den Eindruck, dass ich hier rotierenden Käsequatsch schreibe und Sie haben Recht.
Es hat mit dem zu behandelndem Gegenstand zu tun.
"Mitte" ist so ein beliebiger und inhaltsleerer Begriff, dass Dampfplauderer wie ich dazu stundenlang herum dampfen könnten.
Ich würde sogar sagen, er ist unpolitisch, bestenfalls Marketing.
Er definiert nichts, er beschreibt nichts, er dient nur dem Ausschließen.
Wer sich heute als "Partei der Mitte" bezeichnet, erklärt eigentlich nur, dass der Kern seiner Existenz, die Nichtexistenz als jemand anders ist.
Eine enorme und wichtige Erkenntnis, welche Säuglinge übrigens ungefähr im Alter von fünf Monaten machen.
Glücklicherweise können die weder Plakate hängen, noch Facebookwerbung schalten - sie können ja nicht einmal sprechen und so bleiben uns viele, viele Verkündungen von Selbstverständlichkeiten erspart.
Von den drei politischen Verblödungsbegriffen der Blödeste...
Es scheint ja allgemein verbreitete Ansicht zu sein, dass der Mensch in einer Demokratie zu blöd für Politik ist. Anders lässt es sich kaum erklären, weswegen man permanent bemüht ist, Politik mit allergröbsten Vereinfachungen zu kategorisieren und verzerrt darzustellen.
Eine ordoliberale "Migrationskritikerin" wie Sahra Wagenknecht, ist mit "links" ebenso falsch beschrieben wie die gelebte katholische Soziallehre a'la Norbert Blüm als "rechts".
Aber wenigstens versucht man, mit diesen Begriffen noch etwas zu beschreiben - wenn auch verzerrt.
"Mitte" hingegen beschreibt gar nichts, außer das Nichtbestandteilsein in einem Spektrum (linksrechts), welches doch angeblich... ja, das gesamte Spektrum sein soll.
Ein Begriff also, der nur als Leugnung seiner eigenen Grundlagen existiert.
...und schädlich obendreinDenn lebt Demokratie nicht vom Austausch und der Kompromisssuche, zwischen unterschiedlichen Haltungen?
Was bedeutet dann also "Ich-bin-der-Nabel-der-Welt-und-erkenne-die-meisten-anderen-nicht-an"?
Und unnötigPolitik die sich an bedeutungslosen Begrifflichkeiten abarbeitet, ist Beschäftigungstherapie a'la Mandalaausmalen in der Arbeitsförderung.
Es gibt sehr klare und eindeutige Bezeichnungen für das, was man politisch befördern oder bekämpfen will.
Man kann zum Beispiel sagen, dass man die Verteilungsfrage stellen will (LINKE) oder sie mittels Lohnarbeit für alle Zeiten beantwortet sieht (SPD), man kann ökologisch sein (Grün) und dabei noch anthropozentrisch (Teile der Grünen, FDP, SPD, LINKE, CDU).
Man kann pazifistisch sein, interventionistisch, konfrontativ oder ausgleichend.
Man kann Eigentum als wesentlichen Bestandteil von Freiheit ansehen oder die Befreiung von Hunger und Existenzangst. Man kann sozial sein, im emanzipatorischen Sinne, im paternalistischen Sinne, maximal oder minimalistisch. Man kann auch unsozial sein.
Und man kann und muss, jederzeit, als Demokrat gegen Kräfte sein, die unsere Demokratie und ihre humanistischen Grundlagen in Frage stellen.
Mit Verlaub, wir sind nicht gegen die AfD weil sie "rechts" ist, egal von welcher Warte aus, auch nicht weil sie "extrem" ist, egal von welcher Warte aus.
Die AfD ist gruppenbezogen menschenfeindlich und keine andere etablierte Partei ist gruppenbezogen menschenfeindlich.
Wer die AfD einwebt, in diesen irreführenden Teppich der vereinfachenden Gesäßkategorien, wer ihre Menschenfeindlichkeit nicht benennt, sondern nur ihre Extremität und diese auch noch in Relation setzt zu einer vermeintlichen Extremität eines dunkelrotsozialdemokratischen Ministerpräsidenten, der benennt nicht den schwerwiegensten Grund, weswegen wir als Demokraten die AfD ablehnen.
Die politische Mitte ist nur heiße Luft
Erlauben Sie mir einen Ratschlag an die Parteien der "Mitte":
Schmeißen Sie ihre PR Berater raus!
Kündigen Sie die Verträge mit den Agenturen!
Und schicken Sie jeden Nachwuchspolitiker, der da was von der "Mitte" salbadert, zum Kloputzen auf dem nächsten Bundesparteitag!
Sagen sie was sie wollen, wer sie sind und wie sie die Welt sehen.
Und vermeiden sie es bitte zukünftig, uns mit ihren sinnentleerten Nabelschauerkenntnissen zu belästigen.
Und so sie davon unbedingt nicht ablassen wollen - stellen Sie bitte wenigstens keine Symbolkasper mehr auf, die von der AfD zu Ministerpräsidenten gewählt werden.
Vielen Dank!
So? https://www.youtube.com/watch?v=HF0mRAKxJK4 ;)
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